Doppelwohnsitz Deutschland – Schweiz

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Doppelwohnsitz Deutschland – Schweiz

22. März 2021

In der Schweiz leben über 304‘600 Deutsche. In Deutschland wohnen immerhin auch 88‘600 Schweizer, was angesichts der Bevölkerungszahlen den verhältnismässig grösseren Anteil darstellt.  Die Wohnsitznahme im jeweils anderen Staat wurde durch im Jahr 2002 in Kraft getretene Freizügigkeitsabkommen (FZA) vereinfacht.

Viele der Umziehenden behalten auch noch eine Wohnung in ihrem Herkunftsstaat. Das Wort «Doppelwohnsitz» ist nach schweizerischer Terminologie eigentlich unmöglich, denn in der Schweiz gilt, dass «niemand an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz» haben kann. Nach deutschem Verständnis ist das aber umgekehrt, im Bürgerlichen Gesetzbuch ist ausdrücklich festgehalten, dass «der Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen» kann. Wenn im Folgenden ein Überblick über die Themengebiete und die rechtlichen Wirkungen gegeben wird, ist daher also eine Konstellation gemeint, in der eine Person zwei Wohnungen jeweils zur Nutzung bereithält.

 

Motivation

Die Gründe für die Wahl eines Doppelwohnsitzes sind so vielfältig wie die Lebensentwürfe. Arbeitnehmer wählen häufig den Status des «Wochenaufenthalters». Typischerweise wird dann am Arbeitsort im Ausland nur eine kleine Wohnung gemietet, während im Herkunftsland etwa ein Haus besteht, das man nicht aufgeben möchte. Bei Nichterwerbstätigen steht eher die Freizeitnutzung im Vordergrund, so dass beispielsweise eine Wohnung an der Ostsee und eine im Tessin vorgehalten wird und beide Wohnungen dann jahreszeitlich genutzt werden. Wenn ein Deutscher seine Wohnung im Tessin für mehr als drei Monate im Jahr nutzen möchte, benötigt er hierfür in der Schweiz eine Bewilligung. Hat er aber seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in Deutschland, wird ihm solch eine Bewilligung nicht erteilt werden, da die schweizerischen Behörden den Lebensmittelpunkt in der Schweiz fordern. Auch der Wunsch eines Immobilienerwerbs in der Schweiz kann dazu motivieren, hier einen Wohnsitz zu nehmen. Denn während ein Immobilienerwerb Ausländern mit Wohnsitz im Ausland nach der sogenannten «Lex Koller» nur mit einer – de facto kaum zu erhaltenden – Bewilligung erlaubt ist, sind Deutsche mit Lebensmittelpunkt in der Schweiz von der Bewilligungspflicht befreit. In solchen Konstellationen wird dann aus Rechtsgründen – manchmal auch nur formal – der Lebensmittelpunkt in die Schweiz verlegt. Daneben finden sich auch weniger offensichtliche Motive zur Beibehaltung eines Wohnsitzes im Herkunftsland, etwa eine Jagdpacht, damit zusammenhängend regelmässig der Waffenbesitz oder schlicht laufende Leasingverträge für Fahrzeuge, die nur unter ungünstigen Bedingungen zu kündigen wären, eine Mitnahme ins Ausland aber nicht erlauben.

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Vermeidung der Doppelbesteuerung

Ein Doppelwohnsitz führt im Regelfall in beiden Ländern zur sogenannten unbeschränkten Steuerpflicht, was bedeutet, dass das weltweite Einkommen einer Person sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland besteuert werden kann. Die daraus resultierende doppelte Inanspruchnahme soll durch das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz (DBA) vermieden werden. Im DBA wird zunächst für die steuerpflichtige Person der «Ansässigkeitsstaat» bestimmt, bei Ehegatten/Partnern für jeden getrennt.  Auf die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt kommt es dabei grundsätzlich nicht an.  Bedeutsam ist vielmehr, ob die Person in einer der beiden Staaten eine «ständige Wohnstätte» hat. Aus der Rechtsprechung lässt sich keine feste Anzahl an Tagen herleiten, ab der eine Wohnung zu einer ständigen Wohnstätte wird. Eine unregelmässige Nutzung an nur wenigen Tagen im Jahr ist aber hierfür nicht ausreichend, jedoch ist bei einer Nutzung von 50 Tagen von einer ständigen Wohnstätte auszugehen. Ist das in beiden Staaten der Fall, bestimmt sich die Ansässigkeit nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen, also dem Staat, zu dem man die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Der persönliche Bezug wird durch die familiären Bindungen, Pflege des Freundes- und Bekanntenkreises sowie den Besuch von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen geprägt. Die wirtschaftlichen Interessen werden durch örtlich fixierte Einkunftsquellen gekennzeichnet, wobei der Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers stets eine grosse Bedeutung zukommt. Auch Grundbesitz kann eine starke Bindung an den Ort der Belegenheit begründen. In der Praxis macht oft der Nachweis von persönlichen Interessen Schwierigkeiten, weshalb es zu empfehlen ist, beispielsweise Eintrittskarten aufzubewahren und auch einen Tageskalender zu führen, in dem Übernachtungsort und Aktivitäten notiert sind. Sofern beide Staaten davon ausgehen, dass der Lebensmittelpunkt bei ihnen liegt, ist in einem Verständigungsverfahren nach dem DBA eine Lösung zu suchen. Das kann allerdings mehrere Jahre dauern, in denen dann eine zeitweise Doppelbesteuerung eintreten kann. In der Praxis der Verständigungsverfahren wird häufig angenommen, dass den persönlichen Interessen eine höhere Bedeutung zuzumessen sei, als den wirtschaftlichen. Dies ist allerdings weder durch den Abkommenswortlaut, noch durch die Rechtsprechung gedeckt. Falls der Lebensmittelpunkt nicht bestimmt werden kann oder in keinem der Staaten (Deutschland/ Schweiz) eine ständige Wohnstätte besteht, würde der gewöhnliche Aufenthalt oder – falls auch dies kein Ergebnis bringt – die Staatsangehörigkeit über die Ansässigkeit entscheiden. Der zu bestimmende Lebensmittelpunkt ist praktisch aber der bedeutsamste Fall.

 

Fahrzeuge im Privatbesitz

Bei einem Doppelwohnsitz stellen sich für private Kraftfahrzeuge im Wesentlichen die Fragen der Verzollung, der Zulassung (Fahrzeugausweis), der Versteuerung (Kraftfahrzeugsteuer) und des Führerscheins.

Nach den schweizerischen Vorschriften benötigen Fahrzeugführer aus Deutschland, die seit zwölf Monaten in der Schweiz wohnen und sich in dieser Zeit nicht länger als drei Monate ununterbrochen im Ausland aufgehalten haben, einen schweizerischen Führerausweis. Unter denselben Voraussetzungen müssen auch ausländische Motorfahrzeuge mit schweizerischem Fahrzeugausweis und schweizerischen Kontrollschildern versehen werden. Allerdings gibt es Ausnahmen für Wochenaufenthalter, die ihren Familienwohnsitz in Deutschland beibehalten und regelmässig durchschnittlich zwei Mal im Monat zwei aufeinanderfolgende Tage mit dem Fahrzeug dorthin zurückkehren. Diese können auch eine zeitlich befristete Bewilligung für die Benützung eines unverzollten Fahrzeugs mit ausländischem Kontrollschild und Führerschein beantragen. Im Übrigen kann bei Begründung des Lebensmittelpunkts in der Schweiz ein Antrag gestellt werden, das Fahrzeug abgabenfrei als Übersiedlungsgut zu überführen. Voraussetzung ist aber, dass es vom Zuziehenden während mindestens sechs Monaten im Zollausland (Deutschland) benutzt worden war.

Nach deutschem Recht dürfen in der Schweiz zugelassene Fahrzeuge mit ihren schweizerischen Kennzeichen fahren, wenn sie nur vorübergehend am Verkehr im Inland teilnehmen und im Inland kein regelmässiger Standort begründet ist. Hat der Fahrzeughalter den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland oder nutzt das Fahrzeug hauptsächlich im Inland, so muss das Fahrzeug also hier zugelassen werden. Kommt er der Pflicht nicht nach, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. In diesen Fällen muss er auch KfZ-Steuer bezahlen. Wurden die Steuern nicht dementsprechend entrichtet, so liegt eine strafbare Steuerhinterziehung vor. Mit dem schweizerischen Führerschein darf in Deutschland fahren, wer keinen «ordentlichen Wohnsitz» im Sinne der Fahrerlaubnis-Verordnung in Deutschland hat. Dies wird angenommen, wenn man während mindestens 185 Tagen im Jahr in Deutschland wohnt und hier enge persönliche und/oder berufliche Bindungen bestehen. Für die Verzollung gilt eine ähnliche Regelung wie in der Schweiz: Als Umzugsgut ist ein Kraftfahrzeug abgabenfrei, wenn der «gewöhnliche Wohnsitz» in der Schweiz mindestens zwölf Monate bestanden hat und das Umzugsgut seit mindestens sechs Monaten in der Schweiz vor der Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes in die EU benutzt worden ist. Das Umzugsgut unterliegt dann aber weiterhin der zollamtlichen Überwachung, das heisst es darf zwölf Monate lang keiner anderen Person überlassen werden. Zu beachten ist, dass die Zollbefreiung nur gewährt wird, wenn bei der Übersiedlung der Antrag auf dem entsprechenden Formular gestellt wird. In den übrigen Fällen muss daher eine doppelte Verzollung vorgenommen werden. Da die verschiedenen Gesetze nicht aufeinander abgestimmt sind, finden sich die Begriffe «Wohnen», «Wohnsitz» (in der Schweiz der Lebensmittelpunkt, in Deutschland nicht notwendig), «ständige Wohnstätte», «ordentlicher Wohnsitz» und «gewöhnlicher Wohnsitz» – und jedes Mal ist etwas anderes gemeint. Daher stellt ein Doppelwohnsitz im internationalen Verhältnis eine erhebliche Herausforderung dar, die eine sorgfältige Beratung und Planung im Vorfeld erfordert, insbesondere auch um die steuerlichen Normen richtig und in günstiger Weise anwenden zu können und nicht unerwartet mit dem Steuerstrafrecht konfrontiert zu werden.

Quelle: https://www.handelskammerjournal.ch/de/doppelwohnsitz-deutschland-schweiz-rechtliche-fragen-rund-um-die-ansaessigkeit

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Dominik Baldegger
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