Betriebsstätte im Wandel – Update über die wichtigsten Begriffe
15. Juni 2021Gerne informieren wir Sie über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Betriebsstätte. Gilt es doch Insbesondere grenzüberschreitend tätige Unternehmen müssen diese Entwicklung aktiv verfolgen. Einerseits um die Risiken frühzeitig zu erkennen und andererseits um allfällige Chancen in diesem Kontext zu ergreifen.
Folgende Auslegeordnung:
Betriebsstättenbegriff nach Schweizer Recht
In der schweizerischen Gesetzgebung gilt als Betriebsstätte eine feste Einrichtung, in der ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausübt. In diesem Zusammenhang wird auch immer vom Substanzerfordernis der Betriebsstätte gesprochen. Dies bedeutet, dass das Unternehmen über Räumlichkeiten, Personal und Einrichtungen und Anlagen verfügt, welche fest oder ständig sind.
Digitale Betriebsstätte der OECD
Im Rahmen des Projektes Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) hat die OECD begonnen, Aktionspläne zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Gewinnverlagerung zu entwickeln. Im Aktionspunkt 7 wurde dem Betriebsstättenbegriff grosse Bedeutung beigemessen und entsprechende Anpassungen vorgenommen. Bis anhin war es klar, dass ein reines Auslieferungslager keine Betriebsstätte begründet, nun wurde aber der Aspekt so erweitert, dass verbundene Tätigkeiten nur noch Hilfstätigkeiten darstellen oder vorbereitender Natur sein dürfen. Dies bedeutet, dass ein Auslieferungslager eines Online-Detailhändlers zu einer Betriebsstätte werden kann. Hierauf müssen insbesondere unsere zahlreichen e-commerce / Versandhändler achten. Aufgrund von sehr unterschiedlichen Ansichten der OECD-Mitgliedsländer konnte bis anhin jedoch noch keine Einigung erzielt werden. Die Entwicklung gilt es jedoch zu verfolgen.
Digitale Betriebsstätte der EU-Kommission
Nicht sehr überraschend enthalten die Vorschläge der EU-Kommission bereits konkrete Vorschläge der digitalen Wirtschaft. Die Kommission ist der Meinung, dass sich die Wertschöpfung der digitalen Wirtschaft durch den Nutzer nicht gebührend in den Steuererträgen der einzelnen Länder niederschlägt. Daraus entstanden sind zwei Vorschläge: die signifikante digitale Präsenz und die Übergangslösung, welche sofort eingeführt werden kann (z.B. Italien). Die cmt ag begleitet sehr viele digitale Online-Anbieter (Game-Anbieter) umsatzsteuerlich. Gerade in diesem Bereich werden in den nächsten Jahren verschiedene Fragestellungen auftauchen. Gerne unterstützen wir Sie dabei.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird der Betriebsstättenbegriff gemäss DBA definiert?
- Gemäss Art. 5 OECD-MA bedeutet der Ausdruck «Betriebsstätte» eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
Welche Begriffe sind im Ausdruck Betriebsstätte umfasst?
- Einen Ort der Leitung des Unternehmens
- Eine Zweigniederlassung
- Eine Geschäftsstelle
- Eine Fabrikationsstätte
- Eine Werkstätte
- Ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen.
Was müssen Montagebetriebe im Zusammenhang mit Betriebsstätten beachten?
- Gemäss OECD-MA wird eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. Oder anders gesagt, sobald ein Montageunternehmen länger als 12 Monate in der Schweiz montiert über einen Werkvertrag, dann begründet es automatisch eine Betriebsstätte.
Was gilt gemäss geltendem OECD-MA nicht als Betriebsstätte?
- Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung
- Güterbestände welche ausschliesslich zur Lager, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden
- Güter, welche unterhalten werden, um von einem anderen Unternehmen bearbeitet zu werden
- Eine feste Geschäftseinrichtung, welche ausschliesslich Waren bzw. Informationen beschafft
- Eine feste Geschäftseinrichtung, welche ausschliesslich Hilfstätigkeiten erbringt
Ihr Ansprechpartner bei der cmt ag
Dominik Baldegger
Eidg. dipl. Treuhandexperte
Registrierter Revisor
Telefon direkt +41 71 788 08 02
dominik.baldegger@cmt.ch
Entwicklungen auf internationaler Ebene ergeben eine Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs. Die Schweiz hat Vorbehalte, wodurch Diskrepanzen zum Ausland entstehen und Doppelbesteuerungen ausgelöst werden können. Ein Check kann helfen, negative Überraschungen zu vermeiden.
Eine Betriebsstätte ist nach schweizerischem Steuerrecht eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Als feste Geschäftseinrichtungen gelten gemäss Bundesgericht «Anlagen oder Einrichtungen, in denen ständig oder doch wenigstens während einer gewissen Zeit die Tätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird». Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat sich bis anhin betreffend der Dauerhaftigkeit gegen die Festlegung einer bestimmten Frist ausgesprochen.
Potenzieller interkantonaler oder internationaler Steuerkonflikt
In der Schweiz erfolgt die Ausscheidung von Gewinn und Kapital zwischen den Kantonen meistens nach Quoten. Die entsprechenden Quoten werden in der Regel mit Hilfsfaktoren (Umsätze, Aktiven mit kapitalisierter Miete oder Löhne, branchenabhängig) bestimmt. Im Vergleich zur internationalen Ebene ist der Schweizer Betriebsstättenbegriff bis anhin enger gefasst. Dieser Umstand kann im internationalen Verhältnis zu einem Doppelbesteuerungskonflikt führen. Ein solcher entsteht beispielsweise, wenn ein ausländischer Staat eine Betriebsstätte annimmt und die Gewinne der Betriebsstätte versteuert, die Schweiz hingegen die Betriebsstätte verneint und sämtliche Gewinne ebenfalls besteuert. In einem solchen Fall gilt es insbesondere mittels einschlägiger Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) das Besteuerungsrecht einem Staat zuzuweisen.
BEPS Action Point 7 Vermeidung Betriebsstätte:
Die OECD weitet den Begriff der Betriebsstätten an mehreren Stellen aus.
– Kommissionäre: Diese bilden künftig eine Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA).
– Vertreter: Nur unabhängige Vertreter bilden keine Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA).
– Vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten wie bspw. Werbung, Lagerung oder Wareneinkauf bilden grundsätzlich keine Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA)
Neuere Entwicklung der OECD
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sog. BEPS Aktionen (Base Erosion Profit Shifting Actions) gegen die Steuerumgehung sowie Gewinnverlagerungen entwickelt.
Der BEPS Aktionsplan 7 befasst sich mit der Thematik der Betriebsstätten und weitet den internationalen Begriff der Betriebsstätte gegenüber der bisherigen Definition im OECD-Musterabkommen (welches die Grundlage vieler Doppelbesteuerungsabkommen bildet) erheblich aus und schränkt gleichzeitig den Katalog von Ausnahmen ein.
Problematik der unilateralen Umsetzung
Es liegt nun aber an jedem Land selber, diese Vorgaben ins nationale Recht umzusetzen und folglich den Betriebsstättenbegriff für das jeweilige Landesrecht zu definieren. In Zukunft werden vermehrt Steuerinformationen wie bspw. Steuerrulings, Transfer-Pricing Dokumentationen, Betriebsstättenausscheidungen usw. zwischen den Steuerbehörden verschiedener Staaten ausgetauscht. All dies wird in Zukunft zur Neuqualifikation und Anpassung der Gewinnausscheidung bei Betriebsstätten führen.
Ein Unternehmen kann sich somit künftig nicht auf den steuerlichen Status quo ihrer ausländischen Geschäftstätigkeiten verlassen.
Bei einer Betriebsstätte stellt sich die Frage, wie gross deren Anteil an der gesamten Waren-, Produktions- oder Verkaufskette ist. Im Grundsatz werden die Leistungen der Betriebsstätte betrachtet, wie wenn die Leistung bei einem unabhängigen Dritten bezogen wird (Drittvergleich), was sich in der Praxis jedoch selten eindeutig belegen lässt.
Beispiele von Praxisproblemen, auch innerschweizerisch
- Mit der Modernisierung des Arbeitsplatzes sind neue Arbeitsformen zunehmend in den Fokus der nationalen und internationalen Steuerbehörden geraten. In einem Entscheid aus Dänemark aus dem Jahr 2017 wurde festgehalten, dass die gelegentliche Verwendung eines Home-Office Arbeitsplatzes in Dänemark durch einen dänischen Salesmanager zur Begründung einer Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens führt. Insbesondere Grenzgänger im Home-Office oder ein Arbeitnehmer in einem anderen Kanton können bereits eine internationale resp. interkantonale Betriebsstätte für ein Unternehmen begründen. Erforderlich ist jedoch, dass ein solches Home-Office periodisch und nicht bloss sporadisch verwendet wird. Die konkrete vertragliche Ausgestaltung und Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden zentral sein für die Qualifikation des Home-Office als Betriebsstätte.
- Ein Unternehmen, welches Staubsauger herstellt, lässt durch eine Vertriebsgesellschaft seine Produkte im Ausland im Auftrag bewerben und verkaufen. Die Vertriebsgesellschaft tritt im eigenen Namen an Käufer im Ausland heran, die Lieferung erfolgt im Rahmen eines Kommissionsvertrages direkt durch den Hersteller. Die Vertriebsgesellschaft besitzt die Güter zu keinem Zeitpunkt, hat auch keinen Anspruch auf den Kaufpreis der Käufer und erhält nur eine prozentuale Kommission für jeden Verkauf. Die Vertriebsgesellschaft wird in Zukunft als Kommissionärin eine Vertreter-Betriebsstätte für den Hersteller begründen und gilt nicht als unabhängige Vertreterin i.S.v. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA.
Check für Unternehmen
Ein internationaler Doppelbesteuerungskonflikt ist schwer vermittelbar und äusserst aufwendig, da viele verschiedene Akteure beteiligt sind. Es ist ratsam, die neuen Betriebsstättenrisiken möglichst früh zu erkennen und einzudämmen oder geeignete Lösungen zu finden. Aus diesem Grund empfiehlt sich, ein kurzer Check durchzuführen:
- Führt das Unternehmen im Ausland oder interkantonal Geschäftstätigkeiten aus, welche bis anhin nicht als Betriebsstätte qualifiziert wurden (insbesondere eine Zusammenarbeit mit Kommissionären oder Agenten)?
- Werden Mitarbeiter im Home-Office mit Entscheidungsgewalt beschäftigt? Die abhängige, effektive und regelmässig in seinen Räumlichkeiten ausgeübte Tätigkeit könnte bereits nicht mehr als vorbereitend oder unterstützend qualifiziert werden.
- Hat das Unternehmen im Ausland oder in einem anderen Kanton bereits eine Betriebsstätte?
Bei Vorliegen solcher Sachverhaltselemente müssen zuerst die Regelungen beider Standorte untersucht werden. Falls diese Ansichten auseinander gehen, kann eine Doppelbesteuerung durch eine rückwirkende Steuerausscheidung drohen.
Quelle: https://veb.ch/fileadmin/documents/publikationen/r_c/3_GzD_RuC_0318_60Seiten.pdf
Das könnte Sie auch interessieren: Betriebsstätte oder nicht?, Nutzung Schweizer Firmenwagen in Deutschland, Doppelwohnsitz
Ihr Ansprechpartner bei der cmt ag
Dominik Baldegger
Eidg. dipl. Treuhandexperte
Registrierter Revisor
Telefon direkt +41 71 788 08 02
dominik.baldegger@cmt.ch