Auch in Zukunft keine Digitalsteuern in der Schweiz
25. Juni 2020Die Sache klingt technisch, doch es geht um Milliarden. Unter dem diffusen Begriff der «Digitalsteuer» ringen über 130 Staaten seit längerem um eine Umverteilung der Steuerzahlungen grosser internationaler Firmen. Im Kern geht es um den Versuch einer Verschiebung der Besteuerung vom Ort der Wertschöpfung an den Ort der Absatzmärkte. Im Visier von Europäern und von grossen Schwellenländern standen zunächst vor allem amerikanische Konzerne wie Google, Amazon und Facebook, die in vielen Ländern hohe Umsätze erzielten, ohne die Gewinne zu versteuern. Doch die Amerikaner wollen keine Reform, die ihnen erhebliche Einbussen bringt. Auch die Ausdehnung der Umbaupläne auf traditionellere Branchen hat bisher keine Einigung gebracht. Zurzeit sieht es so aus, als ob sich die Länder vielleicht noch am ehesten auf eine generelle globale Mindestbesteuerung von internationalen Konzernen einigen könnten.
Die Schweiz betrachtet die Reformbemühungen mit Skepsis. Sie müsste bei einer globalen Steuerverschiebung vom Ort der Wertschöpfung hin zu den Absatzmärkten mit erheblichen Einbussen rechnen. Ohne globale Einigung könnten allerdings viele Staaten geneigt sein, eigenständig Sondersteuern einzuführen, was auch nicht erfreulich erscheint. Diverse europäische Staaten und auch Indien haben die Einführung einer Digitalsteuer für ein Szenario ohne globale Einigung bereits ins Auge gefasst.
Die üblichen Verdächtigen
Auch in der Schweizer Politik ist das Thema aufs Tapet gekommen. Eine parlamentarische Initiative des Waadtländer SP-Nationalrats Samuel Bendahan forderte die «Einführung einer Abgabe auf dem in der Schweiz erzielten Umsatz von Internetriesen, die ihre in der Schweiz erzielten Gewinne offenkundig nicht hier versteuern». Laut dem Initiativtext soll die Steuer besonders «die grossen Technologiekonzerne betreffen». In der Begründung des Vorstosses erscheinen die üblichen Verdächtigen: Google, Amazon, Facebook, Apple.
Mit Google hat immerhin einer der Wichtigsten eine grosse Präsenz in der Schweiz. Der Google-Standort Zürich zählt derzeit laut Firmenangaben über 4000 Mitarbeiter und soll über die kommenden Jahre auf «bis zu 5000 Arbeitsplätze» wachsen. Im Prinzip ist Google mit seiner physischen Präsenz auch gewinnsteuerpflichtig in der Schweiz, doch welche Gewinne hier versteuert werden, ist eine offene Frage. Google wollte auf Anfrage keine Angaben dazu machen. Das Unternehmen sagte nur, dass weltweit der effektive Gewinnsteuersatz 23% betrage und man den überwiegenden Teil der Unternehmenssteuern in den USA bezahle.
Mit der Einführung einer nationalen «Digitalsteuer» würde die Schweiz ihre bisherige Position umkehren. Diese Position lautet etwa wie folgt: Am liebsten keine Verschiebung von der Gewinnbesteuerung zur Umsatzbesteuerung – und falls es doch sein muss, bitte nur im Rahmen einer internationalen Vereinbarung statt via nationale Alleingänge, die in der Summe ein Chaos produzieren.
Am Dienstag hat die Wirtschaftskommission des Nationalrats die Frage vorerst entschieden: Die Schweiz soll keine Digitalsteuer einführen. Der besagte Vorstoss fiel mit 16 Nein gegen 8 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung durch. Deklarierte Begründungen: Die Idee widerspräche dem Verfassungsprinzip der Gewinnbesteuerung, und zudem würde ein Beschluss der Schweiz vor Beendigung der globalen Diskussionen die Standortattraktivität gefährden.
Ausbau der «Lex Amazon»
Doch auch in der Schweiz gibt es Bewegung bei der Besteuerung von gewissen Internet-Dienstleistungen. So war Anfang 2019 in Sachen Mehrwertsteuer eine Art «Lex Amazon» in Kraft getreten. Seit jener Revision müssen sich ausländische Versandhandelsunternehmen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung registrieren, wenn sie mit Kleinsendungen (die mit Mehrwertsteuerbeträgen unter 5 Fr. bis dahin steuerfrei geblieben waren) mehr als 100 000 Fr. Jahresumsatz in der Schweiz erzielen.
Doch der Bundesrat war mit den Resultaten der Revision nicht zufrieden. Bis April 2020 hatten sich gut 210 ausländische Versandhändler registrieren lassen, darunter bekannte Namen wie Amazon und Zalando. Laut Bund bleibt ein «beachtlicher Teil» des inländischen Konsums via ausländische Plattformen unversteuert. Durch Abwesenheit fielen auf der Liste der Registrierten laut Bundesangaben zum Beispiel asiatische Internet-Händler auf. Vergangene Woche hat der Bundesrat eine weitere Revision des Mehrwertsteuergesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Künftig sollen elektronische Plattformen selbst als steuerpflichtige Leistungserbringer gelten statt die Unternehmen, die diese Produkte über die Plattform vertreiben. Zudem soll es Sanktionsmöglichkeiten gegen fehlbare Versandhändler geben – wie ein Einfuhrverbot, die Vernichtung von Sendungen und die Veröffentlichung der Namen von Fehlbaren. Auf Basis der Daten von 2018 schätzt der Bund die möglichen Mehreinnahmen mit der Revision auf etwa 60 Mio. Fr. pro Jahr.
Die Vorlage setzt eine vom Parlament 2019 überwiesene Motion teilweise um. Die Motion verlangt aber auch die Besteuerung ausländischer Plattformen für die Vermittlung von Dienstleistungen (und nicht nur von Gütern). Das könnte auch Anbieter wie etwa die Hotelbuchungsplattform booking.com betreffen. Laut Bundesangaben ist dies aber noch nicht vorgesehen, weil die globalen Diskussionen über die Ausgestaltung einer solchen Regelung noch im Gang seien.
Quelle: NZZ-E-Paper vom 24.06.2020; Autor: Hansueli Schöchli
Weitere Beiträge zu diesem Thema: Versandhandelsregelung bei Kleinsendungen, Steuerrangliste Schweiz, MWST Info für ausländische Unternehmen
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