Gekauft, probiert, zurückgeschickt

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Gekauft, probiert, zurückgeschickt

30. März 2022

Nirgendwo senden Online-Shopper so viel Ware wieder zurück wie in der Schweiz. Die Unternehmen leiden zwar darunter, wollen aber trotzdem, dass Retouren gratis bleiben.

Der neue Stubentisch macht sich schon ganz gut, es fehlt nur noch ein wenig Farbe. Aber soll es nun die grüne Vase sein, die zum Teppich passt? Oder die beige, die mit den Wänden korrespondiert? Als geübter Online-Shopper schiebt man diese Entscheidung noch ein wenig hinaus – und bestellt sowohl als auch. Diejenige, die nicht passt, schickt man dann halt wieder zurück. Notfalls alle beide. Es kostet ja nichts.

Was im Ladengeschäft der Umtausch ist, ist im Online-Shopping die Retoure. Im Internet fällt das Zurückgeben jedoch viel leichter. Es fehlt das psychologische Hindernis, sich mit einem Verkäufer oder einer Verkäuferin herumschlagen zu müssen. Zudem machen es einem die grossen Online-Portale leicht. Bei den meisten sind Retouren gratis und portofrei. Das machen sich die Konsumenten zunutze. Vor allem in der Schweiz.

Laut dem Logistik-Unternehmen DPD gehen hierzulande 27,1% der bestellten Pakete wieder zurück. DPD kann das vergleichen, weil das zur französischen Post gehörende Unternehmen in über 20 europäischen Ländern operiert. Der Paketlieferdienst hat mehr als 23000 Online-Shopper auf dem ganzen Kontinent zu ihrem Verhalten befragt. Die Resultate liegen der «NZZ am Sonntag» vor.

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Der Zalando-Effekt

So hat DPD auch die Retourenquote all seiner Märkte ausgewertet. Mit einem verblüffenden Resultat: In keinem anderen Land schicken Online-Shopper so viel Ware wieder zurück wie in der Schweiz. Dies etwa im Gegensatz zu Portugal, wo die Retourenquote bei knapp 7% liegt.

Es gebe keine konkrete Erklärung, warum der Wert in der Schweiz so hoch sei, sagt ­Tilmann Schultze, Schweiz-Chef von DPD. Grundsätzlich seien die Rückgabequoten in «reiferen» Online-Märkten tendenziell höher. In der Schweiz geben 53% der Bevölkerung an, regelmässig im Internet Einkäufe zu erledigen. Auch damit gehört sie zur Spitzengruppe.

Darius Zumstein, Dozent für digitalen Handel an der Zürcher Fachhochschule (ZHAW), sagt: «Viele Schweizer Online-Shopper wurden mit Zalando sozialisiert. Zalando hat Versand und Rückversand gratis gemacht. Dies ist bei vielen Schweizer Online-Shops zum Standard geworden.»

Die deutsche Modeplattform Zalando gilt als zweitgrösster Online-Shop und gleichzeitig grösster Kleiderladen der Schweiz. Sie macht hierzulande mehr als eine Mrd. Fr. Umsatz pro Jahr. Online-Shopper kaufen im Internet am liebsten Kleider und Schuhe, gleichzeitig hat diese Kategorie die höchste Retourenquote. Über alle Märkte hinweg würden etwa die Hälfte der Modeartikel wieder zurückgeschickt, teilt Zalando mit.

Doch Retouren sind hoch umstritten. Es ist schlecht für das Klima, wenn jedes zweite Paket hin und dann wieder zurück transportiert werden muss. Die Umweltbelastung ist aber nur das eine. Auch die Unternehmen selbst ächzen unter der Menge an Retouren. Denn sie generieren einen erheblichen Zusatzaufwand. Wenn ein Artikel wieder zurückkommt, geht nicht nur Umsatz verloren. Es verursacht auch Kosten, weil jedes Produkt von Hand geprüft und wieder aufbereitet werden muss. Zalando macht bei retournierten Kleidern sogar Gewebeproben. Die Artikel werden auf Gerüche und Flecken untersucht. Dies, um zu verhindern, dass Kunden sich ein teures Outfit bestellen, dieses einen Abend lang zu einer Party tragen, nur um es am nächsten Tag einzupacken und zurückzusenden. Zalando versichert, dass 97% der retournierten Artikel wieder über die Plattform verkauft werden können.

Nicht wenige Anbieter sparen sich diese Mühen jedoch. Vergangenes Jahr wurde der Sportartikel-Gigant Nike von deutschen Journalisten mithilfe von Peilsendern dabei überführt, wie er retournierte, aber neuwertige Turnschuhe schredderte, statt sie wieder in den Verkauf zu bringen. In der EU ist das eigentlich verboten, denn für die Umwelt ist es katastrophal.

Der Mahnfinger bringt nichts

Dennoch wollen Händler nicht vom Angebot des kostenlosen Zurückschickens abrücken. Denn es ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sich Shopping im Internet durchsetzen konnte. «Retouren sind ein elementarer Bestandteil des Serviceversprechens von Online-Händlern», sagt Philipp Spreer vom Beratungsunternehmen Elaboratum. Erst die Möglichkeit, Artikel zurückschicken zu können, bringe die nötige emotionale Sicherheit, welche Millionen von Konsumenten benötigten, um Artikel allein auf Basis von Bild und Text zu bestellen.

Spreer hat letztes Jahr zusammen mit der Uni St. Gallen eine viel beachtete Studie mit dem Titel «Die Psychologie der Retoure» durchgeführt. Im Vorspann heisst es unmissverständlich: «Retouren müssen reduziert werden – aus finanziellen und ökologischen Gründen.» Untersucht wurde, wie die Online-Shops ihre Kunden dazu animieren können, mehr Ware zu behalten. Wichtig sei eine gute Kommunikation, sagt Spreer. So könne man aufzeigen, wie wenig Pakete andere Kunden zurückschicken. Oder wie viel Lebenszeit eine Retoure kostet. Auch Rabatte oder Gutschriften fürs Behalten seien denkbar. 6 bis 8% der Retouren könnten so vermieden werden, schätzt Spreer. Nicht funktionieren würde hingegen der moralische Zeigefinger. Dieser führe häufig sogar zu mehr Retouren.

Bereits gibt es Stimmen, die strengere Gesetze fordern. Der grüne Nationalrat Michael Töngi hat vergangenes Jahr einen Vorstoss eingereicht, der vom Bundesrat Massnahmen verlangt, damit Retouren kostenpflichtig werden.

Schweizer Konsumenten zeigen sich bis jetzt unbeeindruckt. Nicht nur kaufen mehr Menschen im Internet ein, sondern sie tun es auch regelmässiger, wie der DPD-Bericht aufzeigt. Im Internet einzukaufen, sei weniger stressig als im Laden, geben 63% der Schweizer Online-Shopper an. Und was fürs Bestellen gilt, gilt umso mehr fürs Zurückschicken.

NZZ am Sonntag / aus dem E-Paper vom 27.03.2022 / von Moritz Kaufmann

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Josef Manser
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