Sozialversicherungen: Datenaustausch CH – EU
21. September 2016In vielen Bereichen sorgt die elektronische Vernetzung für einen schnellen Informationsaustausch. Im Gebiet der sozialen Sicherheit wird ein automatischer Informationsaustausch teilweise bereits angewendet – dieser ersetzt die unübersichtlichen Papierformulare zwischen den Sozialversicherungseinrichtungen.
Seit dem 1. Mai 2010 wenden die Staaten der EU die Gemeinschaftsverordnungen zur Koordinierung der Systeme der nationalen Sicherheit an (Vo (EG) Nr. 883/2004, Vo (EG) Nr. 988/2009 und Vo (EG) Nr. 987/2009). Mit Wirkung per 1. April 2012 wurden diese EU-Verordnungen auch von der Schweiz übernommen beziehungsweise eingeführt. Die EFTA-Staaten (LIE, NOR, ISL) haben diese EU-Verordnungen per 1. 1. 2016 ebenfalls übernommen. Der elektronische Datenaustausch im Bereich der sozialen Sicherheit betrifft vor allem folgende Bereiche:
- anwendbare Rechtsvorschriften (Entsendungsverfahren, Unterstellungsbescheinigung)
- Rentenantragsverfahren (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
- Familienleistungen
- Krankheit
- Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
- Arbeitslosenversicherung
Entsendungsverfahren
Verschiedene Pilot-Firmen und Pilot-Ausgleichskassen konnten über die zentrale Plattform Applicable Legislation Platform Switzerland (ALPS) bereits seit einiger Zeit die elektronische Erfassung von Anträgen auf langfristige Entsendungen (länger als zwei Jahre) und Entsendungsverlängerungen abwickeln.
Seit November 2015 ermöglicht «ALPS» neu auch Anträge auf kurzfristige Entsendungen elektronisch einzureichen bzw. zu genehmigen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, Fälle von Mehrfachtätigkeiten in ALPS zu bearbeiten. Damit entfällt in absehbarer Zeit generell auch im Rahmen des Entsendungs- und Unterstellungsverfahrens der heutige Papieraustausch zwischen der Schweiz, den EU/ EFTA-Staaten sowie den übrigen Vertragsstaaten.
Wichtig für die Beratung:
- Für die Bescheinigung der Entsendung wurde im Rahmen von ALPS ein neues einheitliches Dokument entwickelt. Die diversen, bisher im Verkehr mit den Vertragsstaaten verwendeten Entsendungsbescheinigungen werden durch die Pilot-Ausgleichskassen nicht mehr ausgestellt und durch das mehrsprachige Formular «Certificate of Coverage (Posting)» ersetzt.
- In welchem Land jemand der Sozialversicherung unterstellt werden muss, führt regelmässig zu vielen Fragen. Zwecks Klärung der Unterstellung bei Mehrfachtätigkeit in der Schweiz sowie EU- und EFTA-Staaten und der Ausstellung einer korrekten Unterstellungsbescheinigung (Formular A1) wurde vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) ein Hilfsblatt erarbeitet. Mit diesem Hilfsblatt wird die Zusammenarbeit von Firmen mit den für sie zuständigen Ausgleichskassen vereinfacht. Das Formular steht auf der Internetseite des BSV zur Verfügung, zu finden unter www.bsv.admin.ch > Praxis >Vollzug >International >Formulare >CH-EU/EFTA: Bescheinigungen >A1: Unterstellung > Mehrfachtätigkeit.
Konnte die Unterstellung eines Mitarbeitenden mit dem Hilfsblatt geklärt werden und kommt die zuständige AHV-Ausgleichskasse bspw. zum Schluss, dass die schweizerischen Rechtsvorschriften anwendbar sind, stellt sie das Formular A1 dementsprechend aus.
Zeigt sich aufgrund der Sachverhaltsklärung mittels Hilfsblatt, dass die AHV-Ausgleichskasse respektive die Schweiz nicht zuständig ist, erfolgt eine elektronische Übermittlung an die zuständige Verbindungsstelle im Ausland.
Rentenantragsverfahren
In den in vielerlei Hinsicht sehr wichtigen EU-Verordnungen ist zwingend vorgesehen, dass das zwischenstaatliche Rentenantragsverfahren zwischen der Schweiz und den EU/EFTA-Staaten künftig elektronisch durchgeführt werden muss. Die eingesetzten Papierformulare werden nun laufend abgeschafft und durch elektronische Dokumente ersetzt.
Europäische Wanderarbeiter können mit den auch von der Schweiz angewendeten EU-Verordnungen bspw. den Rentenantrag für sämtliche EU-Staaten in ihrem Wohnsitzland stellen.
Bisher war dies allseits mit hohem Papierkram und vielen Schnittstellen, Postversand, Wartezeit und Unsicherheit verbunden. Mit den neuen Datenaustausch-Plattformen innerhalb der EU-Staaten und der Schweiz werden bspw.
Rentenanträge künftig durch die Ausgleichskassen und IV-Stellen über die Web-Plattform Swiss Web Application Pension (SWAP) erfasst. Die Daten werden daraufhin elektronisch an die Zentrale Ausgleichskasse in Genf (ZAS) übermittelt. Von Genf aus werden die Daten in die EU übermittelt. Von einem zentralen «Speicherort» werden die Daten über das europäische Verwaltungsnetzwerk an die entsprechend involvierten Länder weiter verteilt.
Wichtig für die Beratung:
- Wanderarbeiter, welche in verschiedenen Ländern innerhalb EU/EFTA/CH einen Rentenanspruch haben, müssen nur einen sog. Renten auslösenden Antrag im Wohnsitzland stellen. Die Person muss sich damit nicht selbst mühsam in allen Ländern melden und durch die Verwaltungen kämpfen. Sicherlich eine enorme Vereinfachung, basierend auf den bilateralen Verträgen der Schweiz mit der EU.
- Ein wichtiges Prinzip im Rahmen der Sozialen Sicherheit Schweiz / EU ist die Koordination der Sozialversicherungsunterstellung jeweils nur in einem einzigen Land. Das heisst vereinfacht, wer gleichzeitig in zwei Ländern einer Tätigkeit nachgeht, ist für sämtliche Einkünfte entweder da oder dort versichert. Viele angehende Rentner schliessen daraus, dass sie später auch nur noch eine einzige grosse Rente aus einem einzigen Land erhalten. Dem ist nicht so! Jedes Land resp. jede Sozialversicherungsanstalt berechnet nach wie vor seine eigene «Rentenschuld». Es kann also gut sein, dass eine rentenberechtigte Person aus zehn verschiedenen Ländern ganz kleine und grössere Rentenzahlungen überwiesen erhält. Zu beachten gilt, dass bei Wohnsitz Schweiz auch ausländische Renten fast ausnahmslos der Steuerpflicht unterliegen. Ausländische Renten werden übrigens auch im Rahmen der Berechnung von allenfalls geschuldeten AHV-Nichterwerbstätigenbeiträge vollumfänglich berücksichtigt. Letzteres kann vor allem bei vorzeitiger Pensionierung beachtenswert sein.
Fazit
Der elektronische Datenaustausch macht auch bei den Sozialversicherungen keinen Halt. Der Datenaustausch soll und wird vor allem Sicherheit schaffen, in dem eine Person stets beim richtigen Sozialversicherungsträger angeschlossen und damit versichert ist. Rentenanträge sollen einfacher abgewickelt werden können. Ebenso soll mit dieser Plattform verhindert werden, dass die gleiche Leistung von verschiedenen Ländern bezogen werden können. Einkommens- oder Vermögensdaten werden nicht ausgetauscht. Vieles wird bestimmt einfacher in der Handhabung, aber auch einfacher in der Überwachung! veb.ch führt auch im Herbst 2016 wieder einen Zertifikatslehrgang «Personaladministration für ausländische Mitarbeitende» durch. Start des Lehrgangs: 8. November 2016. Weitere Details zur Ausschreibung erfahren Sie unter www.veb.ch, Seminare und Lehrgänge.
Quelle: www.veb.ch
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