Bundesrat setzt auf Technologie statt Bürokratie

Bundesrat setzt auf Technologie statt Bürokratie

03. Oktober 2019

Die Benachteiligung von Schweizer Online-Händlern liesse sich kurzfristig nur mit grossen Kosten aus der Welt schaffen.

Eine «Päckli-Flut» sei über die Schweiz hereingebrochen. Dieses bedrohliche Bild zeichnen nicht nur einheimische Händler, denen mit Amazon und Co. unangenehme Konkurrenz aus dem Ausland erwachsen ist. Auch dem Nationalrat ist suspekt, dass Schweizer Konsumenten zunehmend Waren bei ausländischen Online-Anbietern bestellen. 2017 beauftragte er die Landesregierung damit, sich mit dem Thema zu befassen.

Schummelei beim Warenwert

Die Motivation dafür war offenbar nicht der unausrottbare Irrglaube, dass Exporte gut und Importe schlecht für eine Volkswirtschaft seien. Das von Tiana Moser (glp.) eingereichte Postulat leugnet die Vorzüge des verschärften Wettbewerbs für die Konsumenten jedenfalls nicht. Stein des Anstosses war die Tatsache, dass Schweizer Anbieter gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten in zwei Punkten benachteiligt werden. Am Mittwoch hat der Bundesrat einen Bericht verabschiedet, in dem er aufzeigt, wie er diese Marktverzerrungen zumindest dämpfen will.

Erstens geht es um das Phänomen, dass insbesondere Anbieter aus China und anderen asiatischen Ländern häufig schummeln, um die Mehrwertsteuer- und Zollpflicht zu umgehen. Sie machen sich zunutze, dass bei Importen eine Mehrwertsteuer-Freigrenze gilt. Erst ab einem Warenwert von 65 Fr. wird mit einem Normalsatz von 7,7% die Einfuhrsteuer erhoben. Im Wissen darum versehen die Händler ihre Pakete oftmals mit der Aufschrift «Geschenk – 5 Dollar», obwohl der Wert des Inhalts über der Freigrenze zu liegen käme.

Da für grosse Schweizer Händler keine Bagatellgrenze bei der Mehrwertsteuer existiert, werden diese unbestrittenermassen benachteiligt. Diese Marktverzerrung ist dem Bund durchaus bewusst. Dass er sie in Kauf nimmt, hat indessen seine Berechtigung: Indem er Steuerbeträge von 5 Fr. oder weniger nicht erhebt, will er unverhältnismässigen Aufwand verhindern. Denn Kleinvieh mag zwar auch Mist machen; doch zugleich müssten bei einer Abschaffung der Limite für mehrere zehntausend Kleinsendungen pro Tag zusätzliche Anmeldungen beim Zoll eingereicht werden. Der Aufwand dafür wäre nicht nur für die Post sowie die Kurierdienste laut dem Bericht «immens». Auch bei der Zollverwaltung müsste aufgerüstet werden. Unter dem Strich scheint somit der Status quo das kleinere Übel zu sein als eine Abschaffung des Freibetrags. Laut dem Bund wäre Letzteres ohnehin «kurzfristig nicht umsetzbar».

Ein zweiter Faktor, der einheimische Online-Händler benachteiligt, sind die internationalen Posttarife. Wird ein Paket auf dem herkömmlichen Postweg vom Ausland in die Schweiz geliefert, gelten die Bestimmungen des Weltpostvertrags. Da China vom Weltpostverein als Entwicklungsland eingestuft wird, kommen Händler aus dem Reich der Mitte in den Genuss von Vorzugskonditionen, die ihnen die Schweizerische Post gemäss Völkerrecht gewähren muss.

Digitalisierung gegen Trickserei

Als Folge davon kostet der Versand die chinesischen Anbieter bedeutend weniger als etwa Digitec Galaxus, Brack oder Microspot. Obwohl auch dies eine klare Marktverzerrung ist, kann der Bund sie kaum aus der Welt schaffen. Zum einen hat die Schweiz als eines der 192 Mitgliedsländer des Weltpostvereins beschränkten Einfluss auf dessen Entscheidungen. Zum anderen ist die Bevorteilung von Händlern aus relativ armen Ländern – zu denen China pro Kopf weiterhin gehört – politisch gewollt. Es handelt sich um eine Ungleichbehandlung im Dienste der Entwicklungshilfe. Dass diese die einheimische Konkurrenz schmerzt, beweist gerade deren Wirksamkeit.

Da die Sache kompliziert ist, verzichtet der Bundesrat auf den vermeintlich «grossen Wurf». Dazu gehörte etwa das Scannen aller Pakete mit Röntgenanlagen sowie die Verzollung durch die Käufer. Beide Massnahmen werden zwar «geprüft», lösten jedoch keine allzu grosse Euphorie aus. Erhöhen will die Landesregierung hingegen die Kontrolldichte, die derzeit bei rund 1 bis 3% der Pakete liegt. Von den häufigeren Kontrollen erhofft sie sich allerdings wenig: Solange Strafverfahren gegen asiatische Firmen mangels bilateraler Verträge nicht vollstreckt werden können, ist die abschreckende Wirkung gering.

Das wirksamste Mittel ist laut dem Bericht die automatische und intelligente Risikoanalyse bei der Auswahl der Stichproben. Diese soll im Zuge der Digitalisierung der Zollverwaltung (EZV) bis 2026 Realität werden.

Quelle: NZZ-E-Paper; Stefan Häberli

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