Sanktionen bei der Entsendung von Mitarbeitern
31. Januar 2018Entsendung aus EU/EFTA-Staaten in die Schweiz bis neunzig Arbeitstage pro Kalenderjahr:
EU/EFTA-Staatsangehörige erhalten mit dem Freizügigkeitsabkommen das Recht, ihren Arbeitsort bzw. Aufenthaltsort innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen aus der EU/EFTA in die Schweiz während maximal neunzig Arbeitstagen pro Kalenderjahr ist ohne formelle Arbeitsbewilligung erlaubt.
Mit der Personenfreizügigkeit kann das Risiko der missbräuchlichen Unterschreitung der Arbeits- und Lohnbedingungen eintreten. Zum Schutz der Erwerbstätigen vor diesem Risiko wurden sogenannte flankierende Massnahmen eingeführt. Die flankierenden Massnahmen sind hauptsächlich im Schweizer Entsendegesetz sowie in der Entsendeverordnung vorgesehen. Die flankierenden Massnahmen bringen verschiedene Pflichten für den ausländischen Arbeitgeber mit sich, die mit entsprechenden Sanktionen verbunden sind.
Der ausländische Arbeitgeber hat bei einer Entsendung unter anderem folgende Pflichten:
- Meldepflicht: Entsandte Arbeitnehmer müssen für die Erbringung von Dienstleistungen von mehr als acht Tagen in der Schweiz gemeldet werden. Für gewisse Sektoren ist aber die Meldung für die Erbringung von Dienstleistungen ab dem ersten Tag notwendig. Die Meldung muss mindestens acht Tage vor dem ersten Arbeitstag erfolgen.
- Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen: Der Arbeitgeber muss den entsandten Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen vorgeschrieben sind. Die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen müssen für die ganze Dauer des Einsatzes eingehalten werden.
- Garantie der Entsendungskosten und der Unterkunft: Der Arbeitgeber muss zusätzlich zum Lohn den entsandten Arbeitnehmern den Ersatz für die tatsächlich getätigten Aufwendungen für Reise, Verpflegung und Unterkunft garantieren.
- Nachweis der Selbständigkeit: Für den selbständig erwerbstätigen ausländischen Dienstleistungserbringer.
Kontrollen zur Einhaltung der gesetzlichen VorschriftenDie Entsendung aus der EU/EFTA bis neunzig Arbeitstage pro Kalenderjahr unterliegt keiner vorgängigen arbeitsmarktlichen Kontrolle. Deshalb kontrollieren die zuständigen kantonalen Behörden die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nachträglich direkt beim Arbeitgeber bzw. beim Schweizer Einsatzbetrieb. Dies geschieht durch sporadische Kontrollen (sogenannte «Spot-checks»). In der Regel wird in solchen Fällen der Arbeitgeber gebeten, sämtliche Informationen betreffend der Entsendung von Arbeitnehmern in die Schweiz, zu liefern.
Im Fall einer Kontrolle muss der ausländische Arbeitgeber zum Beispiel nachweisen können, dass die Meldung rechtzeitig ausgeführt worden ist.Weiters muss nachgewiesen werden, dass die Löhne und die Entsendungskosten effektiv bezahlt worden sind und minimale Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Wer den Nachweis nicht erbringen kann, muss mit Sanktionen rechnen.
Die Kontrolle bezüglich der Bestimmungen eines allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags sowie bezüglich der Bestimmungen eines Normalarbeitsvertrages über Minimallöhne werden von den paritätischen Organen bzw. von den eingesetzten tripartiten Kommissionen durchgeführt. Zudem haben die Arbeitnehmerschutzorganisationen ein selbständiges Klagerecht auf Feststellung einer Verletzung der im Entsendegesetz enthaltenen Pflichten.
Verwaltungssanktionen für Verstösse gegen das EntsendegesetzVerwaltungsrechtliche Sanktionen für Verstösse gegen das Entsendegesetz sind gemäss Artikel 9 Entsendegesetz einerseits geldwerte Sanktionen bis 30.000 Franken und andererseits ein Verbot zur Erbringung von Dienstleistungen in der Schweiz für eine Dauer von ein bis fünf Jahren. Seit dem 1. April 2017 können in schwerwiegenden Fällen die geldwerten Sanktionen und das Verbot zur Erbringung von Dienstleistungen kumulativ ausgesprochen werden. Die Verstösse, welche mit einer Dienstleistungssperre sanktioniert werden, werden auf der öffentlichen RESA-Liste im Internet publiziert. Die Liste ist zurzeit vierundneunzig Seiten lang (mit sechzig aufgelisteten Entscheiden pro Seite)und enthält folgende Angaben:
- Kanton
- Name des Betriebes
- Adresse
- Art des Verstosses
- Busse
- Dauer der Dienstleistungssperre
Die zuständigen Behörden können bei Verstössen gegen die im Entsendegesetz enthaltenen Pflichten folgende Verwaltungssanktionen aussprechen:
- Verstoss gegen die Meldepflicht (z. B. verspätete Meldung vor Arbeitsbeginn, verspätete Meldung nach Arbeitsbeginn, keine Meldung): geldwerte Sanktion bis 5.000 Franken
- Verletzung der Dokumentationspflicht bei selbständigen Erwerbstätigen: geldwerte Sanktion bis 5.000 Franken
- Verstoss gegen die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen (z. B. Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten, nicht bewilligte Sonntagsarbeit): geldwerte Sanktion bis 30.000 Franken oder Dienstleistungssperre von ein bis fünf Jahren. Bei besonders schwerwiegendem Verstoss gegen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen werden die geldwerte Sanktion und die Dienstleistungssperre kumulativ ausgesprochen
- Verletzung der Unterkunftsregelung: geldwerte Sanktion bis 5.000 Franken
- Im Fall einer Verletzung der Strafbestimmungen oder im Fall einer Nichtbezahlung des Betrags der rechtskräftigen Verwaltungssanktion: Dienstleistungssperre von ein bis fünf Jahren
- Verstoss gegen Mindestlöhne in einem Normalarbeitsvertrag: geldwerte Sanktion bis 30.000 Franken
Bei Verstössen gegen die minimalen Lohnbedingungen wird in der Praxis unterschieden, ob der Arbeitgeber nachträglich dem Arbeitnehmer die Lohndifferenz bezahlt hat oder nicht. Die Sanktionen können dementsprechend verhältnismässig angepasst werden.
Um Erwerbstätige vor dem Risiko der missbräuchlichen Unterschreitung der Arbeits und -lohnbedingungen zu schützen, wurden Strafbestimmungen eingeführt.
Strafbestimmungen
Als strafrechtliche Sanktion für Verstösse gegen das Entsendegesetz ist eine Busse vorgesehen. Gemäss Artikel zwölf Entsendegesetz wird mit einer Busse bis 40.000 Franken bestraft, wer:
- In Verletzung der Auskunftspflicht wissentlich falsche Auskünfte erteilt oder die Auskunft verweigert
- Sich der Kontrolle der zuständigen Behörde widersetzt oder in irgendeiner Weise die Kontrolle verunmöglicht
- Einer rechtskräftigen Dienstleistungs- sperre nicht Folge leistet
- Arbeitnehmer in der Schweiz anstellt und systematisch und in gewinnsüchtiger Absicht gegen Bestimmungen über den Mindestlohn, die in einem Normalarbeitsvertrag vorgeschrieben sind, verstösst.
Darüber hinaus kann eine Busse bis 1.000.000 Franken für systematische Verstösse gegen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen ausgesprochen werden.
Entsendung aus EU/EFTA-Staaten in die Schweiz von mehr als 90 Arbeitstagen pro KalenderjahrDie Erbringung von Dienstleistungen aus einem EU/EFTA-Staat in die Schweiz für eine Dauer von mehr als 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr wird nicht durch das Freizügigkeitsabkommen geregelt. Die Zulassung richtet sich nach dem Ausländergesetz (nachfolgend: AuG) und der VZAE. Die Arbeitsaufnahme ist somit bewilligungspflichtig. Sie unterliegt einer vorgängigen arbeitsmarktlichen Prüfung sowie gegebenenfalls der Kontingentierung. Geprüft werden die üblichen Voraussetzungen wie
- Gesamtwirtschaftliches Interesse der Schweiz
- Persönliche Voraussetzungen des Arbeitsnehmers
- Arbeits- und Lohnbedingungen
Die Umgehung der Bewilligungsverfahren erfüllt unter Umständen den Tatbestand der rechtswidrigen Erwerbstätigkeit: Der Arbeitnehmer kann in solchen Fällen namentlich für seine Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (Art. 115 AuG) sanktioniert werden. Die Strafe ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Darüber hinaus kann die Förderung der rechtswidrigen Erwerbstätigkeit sanktioniert werden (art. 116 AuG). Die Strafe ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Ferner kann der Schweizer Einsatzbetrieb (z.B. Kunde der Dienstleistung) bei der Annahme von grenzüberschreitenden Dienstleistungen durch entsandte Arbeitnehmer aus der EU/EFTA, die über keine gültige Bewilligung verfügen, für die Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung (Art. 117 AuG) sanktioniert werden. Die Strafe ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, wobei in schweren Fällen die Strafe eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe ist.
Bei Verstössen gegen das Entsendegesetz drohen Konsequenzen
Bei Entsendungen aus EU/EFTA- Staaten besteht somit ein Sanktionsrisiko vor allem bei Verstössen gegen das Entsendegesetz und gegen das Ausländergesetz.
Die Sanktionen treffen in erster Linie die ausländischen Arbeitgeber, welche nicht nur mit einer geldwerten Sanktion bis zu CHF 30‘000 gebüsst werden können, sondern denen auch verboten werden kann, während ein bis fünf Jahren Dienstleistungen in der Schweiz zu erbringen. Im Weiteren riskieren sie, auf der öffentlichen Liste der Dienstleistungssperren zu erscheinen.
Darüber hinaus kann es für den Schweizer Einsatzbetrieb (meistens der Kunde des ausländischen dienstleistungserbringenden Unternehmers) unangenehm werden. Nämlich, wenn Kontrollen in deren Arbeitsräumen durchgeführt werden und die entsandten Arbeitnehmer über keinen Meldungsnachweis oder über keine gültige Bewilligung verfügen. Unter Umständen können sich Schweizer Einsatzbetriebe auch strafbar machen, wenn sie Dienstleistungen von entsandten Arbeitnehmern annehmen, die über keine Bewilligung verfügen.
Zusammenfassend können Verstösse gegen die anwendbaren Vorschriften zu empfindlichen Behinderungen in der Geschäftstätigkeit sowohl des ausländischen Arbeitgebers als auch des Schweizer Einsatzbetriebes führen.
Quelle: https://www.handelskammerjournal.ch/de/sanktionen-bei-der-entsendung-von-arbeitnehmern-aus-eu-efta-staaten-in-die-schweiz-1-2
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