Hauptsteuerdomizil – interessante Entwicklungen
12. November 2024Vermehrt stellen wir in der täglichen Beratung fest, dass Hochsteuerkantone überprüfen, ob ihnen kein Steuersubstrat entgeht, weil das entsprechende Unternehmen zwar den handelsrechtlichen Sitz in einem Tiefsteuerkanton hat, aber die tatsächliche Verwaltung im Hochsteuerkanton liegt. Exemplarisch ist hier der Kanton Zürich zu nennen, welcher mit hohen Unternehmenssteuern von Kantonen mit bedeutend tieferen Unternehmenssteuern umgeben ist.
Wird ein Unternehmen gegründet, muss es eine Adresse beim Handelsregister hinterlegen, wo es seinen Sitz begründet. Dieser Sitz galt auch im Rahmen der Bundesgerichtssprechung als vorrangig – sofern es sich nicht um eine reine Briefkastengesellschaft handelte. Im Urteil vom 13.5.2002 (BGer 2A.196/2001) legte das BG fest, dass das Hauptsteuerdomizil am Ort des statutarischen Sitzes liegt, sofern dieser nicht künstlich geschaffen erscheine. In der täglichen Praxis nennen wir dies Substanzerfordernis, d.h. wenn Räumlichkeiten vorhanden sind, Personal angestellt ist, IT oder andere Infrastruktur vorhanden ist.
Im internationalen Kontext wurde der statutarische Sitz kritischer beurteilt. Hier ging die Entwicklung in Richtung Ort der tatsächlichen Verwaltung bzw. es musste die Frage beantwortet werden: wo werden die wesentlichen Entscheide für die Unternehmung gefällt und wo laufen die Fäden der Geschäftsführung zusammen. Dieser Entwicklung trug das BG mit seinem Entscheid vom 1.2.2019 (BGer 2C_627/2017) Rechnung.
Dies hat weitgehende Folgen für Unternehmen, welche in mehreren Kantonen tätig sind. Es reicht nicht mehr, wenn ein Unternehmen am Ort des Handelsregistereintrages bloss eine minimal funktionsfähige Infrastruktur unterhält, vielmehr muss sichergestellt werden, dass eine realistische und funktionsfähige Infrastruktur zur Verfügung steht, wo die Geschäftsleitung auch die relevanten Entscheidungen fällt und fällen kann.
Fazit:
Durch die Praxisverschärfung sind Unternehmen gezwungen, sich im Bereich der tatsächlichen Verwaltung Gedanken zu machen und entsprechend die Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten. Gerade bei Unternehmen, welche im Beratungsbereich tätig sind, oftmals direkt bei Kunden vor Ort sind oder wo viele Mitarbeiter im Homeoffice tätig sind, nehmen die Herausforderungen zu. Hierbei empfehlen wir, die aktuelle Situation kritisch zu überprüfen und entsprechend Anpassungen im Handelsregistereintrag oder beim Aufbau der Infrastruktur vorzunehmen.
DOMINIK BALDEGGER
Eidg. dipl. TreuhandexperteRegistrierter Revisor
Verwandte Beiträge
Was sie als Verwaltungsrat wissen müssen
Das revidierte Aktienrecht ergänzt und präzisiert bereits heute geltende Bestimmungen für den Ver...